Tage der digitalen Technologien: die Weichen für eine KI-fähige Digitalisierung von Wohngebäuden sind gestellt.
14. Oktober 2024
Lesedauer:
11 Minuten
„Transformation durch Innovation – nachhaltig, souverän, vernetzt“ lautete das Motto der diesjährigen Tage der digitalen Technologien (TddT), die am 7. und 8. Oktober 2024 im Berlin Congress Center (bcc) stattfanden. Für SmartLivingNEXT war es in mehrfacher Hinsicht eine gelungene Veranstaltung mit richtungsweisendem Charakter. Mit gleich sechs Exponaten stellte das Technologieprogramm den aktuellen Forschungsstand vor und informierte in diversen Fachvorträgen über den strategischen Ansatz und Mehrwerte des entstandenen Ökosystems. Vertreter aus Politik, Industrie, Wohnungswirtschaft, Wissenschaft und Handwerk präsentierten eine gemeinsame Erklärung, mit der sie den Weg für eine neuartige, vollständige und KI-fähige Digitalisierung von Wohngebäuden frei machen. Besonders erfreulich: die Auszeichnung des Vorgängerprojekts ForeSight als eines der Highlights aus dem BMWK-Förderprogramm „Entwicklung digitaler Technologien“.
Die Parlamentarische Staatssekretärin beim Bundesministerium für Wirtschaft und Klimaschutz (BMWK) Dr. Franziska Brantner eröffnete die vierten Tage der digitalen Technologien, an denen knapp 600 Besucherinnen und Besucher sowie 56 Aussteller aus insgesamt sieben Förderprogrammen teilnahmen. In ihrer Rede betonte sie die Bedeutung und das Potenzial, die Künstliche Intelligenz (KI) für effizientere Prozesse und Produktivitätssteigerungen bereithält.
„Berliner Erklärung“: Weg frei für neuartige Digitalisierung von Wohngebäuden
Für den Wohngebäudebereich richtungsweisend war die danach stattfindende Präsentation der „Berliner Erklärung“, mit der sich Deutschland als Vorreiter bei der digitalen Transformation von Lebens- und Wohnumgebung positioniert. In dieser Erklärung sagen Vertreterinnen und Vertreter der deutschen Industrie, Wohnungswirtschaft, Wissenschaft und des Handwerks gemeinsam die Unterstützung bei der Entwicklung von sicheren Datenräumen und somit der Digitalisierung von Wohn- und wohnähnlichen Gebäuden wie Hotels oder Pflegeeinrichtungen zu.
Treibende Kraft hinter der „Berliner Erklärung” ist das SmartLivingNEXT Leitprojekt. „Durch den diskriminierungsfreien und sicheren Zugriff auf Daten reduziert die Technologie die Abhängigkeit von marktbeherrschenden Unternehmen aus dem nicht-europäischen Raum und schafft so die Voraussetzungen, Wertschöpfung in Deutschland zu halten“, erklärt Michael Schidlack, Principial Researcher bei der Forschungsvereinigung Elektrotechnik (FE) beim ZVEI e. V. und Konsortialleitung im SmartLivingNEXT Leitprojekt. „In den kommenden Jahren erwarten wir auf Basis von SmartLivingNEXT zahlreiche neue, innovative und KI-basierte Anwendungen, die unsere Lebens- und Wohnumgebungen nachhaltiger gestalten.“
SmartLivingNEXT: „Best of both worlds”-Konzept
Wie weit man bei der Umsetzung dieser Vision bereits fortgeschritten ist, zeigte das mit 25 Millionen Euro geförderte Technologieprogramm SmartLivingNEXT auf einer 21 Quadratmeter großen Fläche mit den Konsortialpartnern Deutsches Forschungsinstitut für Künstliche Intelligenz (DFKI), Forschungsvereinigung Elektrotechnik beim ZVEI e. V., Materna Information & Communications SE und Open Experience GmbH. Kernelement von SmartLivingNEXT ist ein sicherer Datenraum, der einen einheitlichen Zugangspunkt zu Wohngebäudedaten bietet. Dadurch entsteht das erste universelle und KI-basierte Ökosystem für alle digitalen Smart-Living-Services. „SmartLivingNEXT verfolgt dabei ein ´Best of both worlds´-Konzept. Das bedeutet, dass Hersteller ihre bewährten Systeme und ihre Geschäftsmodelle behalten. Zusätzlich erhalten sie die Möglichkeit, ihre bewährten Modelle mit weiteren Geschäftsmodellen anzureichern“, so Michael Schidlack. Die Teilnahme am Ökosystem ließe sich „step by step“ realisieren, „Hersteller können zunächst mit eigenen Dataspaces und den bisherigen Partnern beginnen und die eigenen Systeme erst zu einem späteren Zeitpunkt mit dem gesamten Ökosystem verknüpfen.“
Materna präsentiert SmartLivingNEXT Dataspace, Dataspace Blueprint Portal und mobile App
Materna stellt über die Projektlaufzeit hinweg die technischen Komponenten für den Betrieb des Datenraum-Ökosystems bereit. Auf dem Stand der TddT zeigte das Unternehmen den Dataspace Blueprint, eine Zusammenstellung von Software-Komponenten für das Aufsetzen eines Dataspace und seine Anbindung an das Ökosystem. Außerdem präsentierte der Konsortialpartner das insbesondere für Administratoren interessante „Dataspace Blueprint Portal“ als grafisches User Interface für das Data und Service Asset Management. Zudem demonstrierte Materna die erste Version einer SmartLivingNEXT Mobile App für Mietende im Mehrfamilienhaus. Dadurch werden Wohngebäude energieeffizienter.
DFKI stellt HoloLens, Tablet Augmented Reality und Datenraum Demonstrator vor
Welche innovativen Möglichkeiten sich bei der Visualisierung von Energieverbräuchen eines Gebäudekomplexes ergeben, zeigte das DFKI mit einer Augmented-Reality(AR)-Demo. Die Besucherinnen und Besucher des SmartLivingNEXT Stands konnten aktuelle und Energieverbrauchsdaten des Dudo Parks Saarbrücken, die über den SmartLivingNEXT Dataspace verfügbar sind, mithilfe einer interaktiven AR-Brille komfortabel und intuitiv einsehen. Das Besondere daran war die 3D-Visualisierung des kompletten Gebäudekomplexes via AR-Brille bzw. Tablet. Der vom DFKI vorgestellte Datenraum-Demonstrator zeigte, dass der SmartLivingNEXT Dataspace genutzt werden kann, um KI-Trainingsmethoden zu verbessern, indem die Daten verschiedener Teilnehmer souverän vernetzt und verarbeitet werden.
Open Experience zeigt Lebensraum-Patienten-Modell
Das SmartLivingNEXT Projekt BIM-4-CARE, vertreten durch dessen Konsortialleitung Konstantin Krahtov, Open Experience, präsentierte ein Lebensraum-Patienten-Modell, das mithilfe von modernen Technologien wie Helm-Kamerasystemen DIGIBAU 360, Roboterhund oder manuellen Fragebögen und Checklisten im Vorfeld vor Ort mit dem Patienten bzw. der Patientin erstellt wird. Anhand dieses Modells kann man unterschiedliche Krankheitsentwicklungssimulationen durchführen, die kritische Bereiche bezüglich Mobilität, Lebensqualität oder sozialer Interaktion in der Wohnumgebung hervorheben und gleichzeitig mögliche Maßnahmen zur Verbesserung der Situation vorschlagen.
Vorgängerprojekt ForeSight erhält Auszeichnung
Neben vielen Fachgesprächen und Präsentationen gab es für SmartLivingNEXT einen besonderen Tagesordnungspunkt. Das Vorgängerprojekt ForeSight wurde während der Session “Highlights” der vom BMWK geförderten Technologieprogramme der vergangenen Jahre ausgezeichnet. Michael Schidlack, ehemals Projektleitung bei ForeSight, nahm stellvertretend für das Konsortium auf der Bühne vor Fachpublikum die Auszeichnung entgegen und erläuterte die Historie: „Im Projekt ForeSight ging es darum zu zeigen, dass es möglich ist, KI in Wohngebäuden einzusetzen, wenn nur ein ausreichend großer Datenpool zur Verfügung steht. Dieser Datenpool sollte herstellerübergreifend ausgestaltet sein. Im Rahmen dieses Projektes wurde die Idee des ‚SmartLivingNEXT Dataspace‘ entwickelt und später auch Gaia-X-konform ausgerichtet. Mit ForeSight haben wir gezeigt, dass dies technisch möglich ist und welcher Nutzen für Industrie, Handwerk, Wohnungswirtschaft und auch Mieterinnen und Mieter damit verbunden sein kann.” Insgesamt wurden sechs Projekte unter Moderation von Alexa von Busse und Mads Pankow ausgezeichnet.
Fachsession „Datenräume für nachhaltige Lebens- und Wohnumgebungen“
Einen echten „deep dive“ ins Technologieprogramm konnten die Besucherinnen und Besucher an der am Nachmittag stattfindenden Fachsession “SmartLivingNEXT – Datenräume für nachhaltige Lebens- und Wohnumgebungen” erhalten. Die zweistündige Sitzung bot einen umfangreichen strategischen und technischen Einblick in die verschiedenen Aspekte des Leitprojekts. Michael Schidlack erläuterte in seiner Eingangspräsentation die Mehrwerte des Technologieprogramms. Sein Fazit: Das Ökosystem ist aufgebaut und intakt. Damit sei nun der Grundstein für viele neue Anwendungen, zum Beispiel aus den Bereichen Energiemonitoring, Assistenz und Pflege, Wohnsicherheit oder Wohnungsverwaltung und Gebäudewartung gelegt.
Als Thomas Feld, Vice President Data Economics und AI, Materna SE, das Podium betrat wurde es technisch. Er zeigte, wie das Datenökosystem SmartLivingNEXT aus einer Vielzahl unterschiedlicher Dataspaces entsteht und welche Komponenten bereits im SmartLivingNEXT Dataspace vorhanden sind. Und auch hier die gute Botschaft: „SmartLivingNEXT-Projekte können zur Verfügung stehende Datenquellen verschiedener Herkunft über den Sense WoT Standard unter der Maßgabe der DSGVO und des EUData Acts projektübergreifend zusammenführen und miteinander teilen“, so Feld. Im Anschluss daran erläuterten zehn Vertreter der SmartLivingNEXT-Projekte in kurzen Statements dem Fachpublikum die von ihnen entwickelten Anwendungen und deren Mehrwerte. Die Runde wurde von Professor Thomas Heimer, Wirtschaftsinitiative Smart Living (WISL), moderiert. Unter den Zuschauerinnen und Zuschauern befanden sich auch Dr. Klaus Glasmacher, BMWK, und Birgit Bott, DLR, in ihrer Funktion als Projektträgerin.
Podiumsrunde: Experten sagen ihre Unterstützung bei der vollständigen Digitalisierung von Wohngebäuden durch geteilte Datenräume zu
Hochkarätig besetzt war die abschließende Podiumsrunde mit Adalbert Neumann, CEO der Busch-Jaeger Elektro GmbH und Vorstandsvorsitzender des Lenkungskreises der WISL, Dr. Claus Wedemeier, Referatsleiter Demographie und Digitalisierung beim GdW, Paul Seifert, Leiter Referat Technik & Digitalisierung ZVEH und Dr. Wolfgang Weber, Vorsitzender der Geschäftsführung des ZVEI e.V.. Unter dem Titel „Warum SmartLivingNEXT eine zukunftsweisende Lösung für Industrie, Wohnungswirtschaft, Handwerk und Anwender ist“ diskutierten sie die Chancen und Herausforderungen, die für die vollständige Digitalisierung von Wohngebäuden zu erwarten sind.
Die Tage der digitalen Technologien 2024 zeigten eindrucksvoll, dass SmartLivingNEXT eine Schlüsselrolle bei der Gestaltung zukunftsorientierter und nachhaltiger Lebensräume spielt. Durch die Kombination von digitaler Infrastruktur, intelligenten Diensten und der Einbindung aller relevanten Akteure – von der Industrie über das Handwerk bis hin zu den Endnutzerinnen und Endnutzern – setzt das Projekt neue Maßstäbe für vernetzte und lebenswerte Wohnumgebungen. Die Veranstaltung bot wertvolle Einblicke in die Zukunft des intelligenten Wohnens und machte deutlich, dass SmartLivingNEXT weit mehr ist als ein technisches Konzept – es ist ein wesentlicher Bestandteil einer nachhaltigen und intelligent vernetzten Gesellschaft.
Artikel im Audio-Format:
Redaktion:
Ilka
Klein
Maximilian
Metzner
Kategorie:
BIM-4-CARE
Leitprojekt
SmartLivingNEXT
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