„Zukünftig werden Gebäude proaktiv agieren.“
26. März 2025
Lesedauer:
7 Minuten
Die Albrecht Jung GmbH & Co. KG bietet neben Schaltern, Steckdosen und Dimmern in den unterschiedlichsten Varianten ebenso Systeme an, die die komplette Steuerung von Funktionen im Gebäude übernehmen. Wir sprechen mit Stefan Jörgens, Director Research & Development, über smarte Möglichkeiten in den unterschiedlichsten Bereichen und die Motivation der Mitwirkung in SmartLivingNEXT.

Herr Jörgens, seit der Gründung im Jahr 1912 hat Ihr Unternehmen den Lichtschalter immer weiterentwickelt – vom ersten Patent für einen neuartigen Zugschalter über eine 50 Jahre zeitlose Stilikone bis hin zur Integration in die modernen Smart Home-Technik. Welche Bedeutung geben Sie der Künstlichen Intelligenz (KI), wenn es um Gebäudetechnologien geht?
KI spielt eine zunehmend zentrale Rolle in der Weiterentwicklung der Gebäudetechnologie. Sie ermöglicht uns, Gebäude nicht nur smarter, sondern auch intuitiver und nachhaltiger zu gestalten. Sie hilft, Daten aus Sensoren, Benutzerverhalten und Umgebungsfaktoren intelligent auszuwerten und darauf basierend maßgeschneiderte Automatisierungen zu entwickeln. So können beispielsweise Beleuchtung, Klimatisierung und Sicherheitsfunktionen präzise an die Bedürfnisse der Nutzenden angepasst werden, wodurch nicht nur Komfort und Effizienz steigen, sondern auch der Energieverbrauch gesenkt wird.
Wir setzen auf KI, um Gebäude von passiven Räumen in interaktive Lebensräume zu transformieren. Ein Beispiel sind intelligente Energiemanagementsysteme, die durch maschinelles Lernen die Verbrauchsmuster analysieren und Vorschläge zur Optimierung geben. Die Herausforderung liegt darin, diese Technologie so zu gestalten, dass sie für alle Benutzergruppen einfach zu bedienen ist und den Datenschutz gewährleistet. Unsere Vision ist es, die Vorteile von KI nahtlos in die etablierten Smart-Living-Lösungen zu integrieren und damit echte Mehrwerte zu schaffen.
Seit kurzem ist Ihr Unternehmen assoziierter Partner bei SmartLivingNEXT. Was war für Sie ausschlaggebend, an dem Forschungsprojekt teilzunehmen? Welche Synergieeffekte erhoffen Sie sich?
Die Teilnahme an SmartLivingNEXT bietet uns die Möglichkeit, die Zukunft der Gebäudetechnologie aktiv mitzugestalten. Ausschlaggebend war für uns die Vision eines universellen Datenökosystems, das verschiedene Akteurinnen und Akteure der Branche zusammenführt. Dieses Ökosystem hat das Potenzial, bestehende Barrieren zwischen Technologien, Herstellern und Anwendern zu überwinden, was eine nahtlose Interoperabilität ermöglicht.
Wir erhoffen uns durch diese Zusammenarbeit Synergieeffekte in mehreren Bereichen: Erstens möchten wir unsere Expertise im Bereich intelligenter Gebäudesteuerung einbringen und gleichzeitig von den Erfahrungen und Innovationen der anderen Projektpartner profitieren. Zweitens bietet uns das Projekt die Möglichkeit, frühzeitig Standards mitzugestalten, die langfristig die Basis für zukünftige Smart-Living-Lösungen bilden könnten. Und schließlich sehen wir in SmartLivingNEXT eine Plattform, um neue Geschäftsmodelle zu entwickeln, die von offenen, interoperablen Systemen profitieren.
Das Förderprogramm SmartLivingNEXT hat sich zum Ziel gesetzt ein universelles Datenökosystem für die Smart Living Domäne zu entwickeln – dabei spielt auch die Zusammenarbeit mit dem KNX-Standard eine wichtige Rolle. Welchen Mehrwert sehen Sie in einem domänenspezifischen Datenraum für Ihr Unternehmen?
Ein domänenspezifischer Datenraum stellt für uns eine große Chance dar, die Flexibilität und Skalierbarkeit unserer Lösungen zu erhöhen. Durch die standardisierte Sammlung und Verarbeitung von Daten können wir innovative Funktionen entwickeln, die auf realen Nutzungsdaten basieren. Der KNX-Standard ist für uns hierbei von besonderer Bedeutung, da er als international anerkannter Standard Interoperabilität und Zukunftssicherheit gewährleistet.
Ein universeller Datenraum ermöglicht uns, komplexe Szenarien wie energieoptimierte Gebäudesteuerung, vorausschauende Wartung und adaptives Raumklima zu realisieren. Darüber hinaus bietet er die Grundlage, um neue Partnerinnen und Partner sowie Systeme leichter in unsere Lösungen zu integrieren. Dies wird nicht nur unsere Innovationskraft stärken, sondern auch den Endkundinnen und Endkunden einen echten Mehrwert bieten, indem Systeme unabhängig von Herstellern und Plattformen reibungslos zusammenarbeiten können.
Viele für das Wohnen ausgerichtete Systeme haben Probleme beim Wechsel der Bewohnerinnen und Bewohner, weil persönliche Einstellungen und Services dann aufwendig neu angepasst werden müssen. Wie reagieren Sie derzeit auf diese Herausforderung und denken Sie, dass mit Hilfe geteilter Datenräume hier eine Vereinfachung dieser Prozesse generiert werden kann?
Diese Herausforderung ist uns sehr bewusst. Derzeit arbeiten wir an Lösungen, die den Wechsel von Bewohnerinnen und Bewohnern so reibungslos wie möglich gestalten. Dazu gehören cloudbasierte Profile, die persönliche Einstellungen speichern und bei einem Umzug auf neue Geräte übertragen werden können. Auch setzen wir auf flexible Steuerungssysteme, die sich schnell an geänderte Nutzungsanforderungen anpassen lassen.
Ein geteilter Datenraum könnte diesen Prozess erheblich vereinfachen, indem er universelle Profile für Bewohnerinnen und Bewohner ermöglicht, die unabhängig von Systemen oder Herstellern funktionieren. So könnten beispielsweise Licht- und Heizpräferenzen oder Sicherheitskonfigurationen von Nutzenden automatisch in ein neues Zuhause übertragen werden. Der Datenschutz bleibt dabei oberste Priorität, da persönliche Daten nur mit ausdrücklicher Zustimmung der Nutzerinnen und Nutzer geteilt werden sollten.
Herr Jörgens, abschließende Frage: Kann die Digitalisierung eines Gebäudes eines Tages so einfach sein wie die Installation von Steckdosen und Schaltern? Welche Auswirkungen hat Ihrer Meinung nach die Digitalisierung auf die Gebäudetechnik? Wo geht die Reise hin?
Ja, die Digitalisierung eines Gebäudes wird in Zukunft so einfach und selbstverständlich sein wie die Installation von Steckdosen und Schaltern. Unser Ziel ist es, die Komplexität hinter der Technologie zu verstecken und intuitive Lösungen zu entwickeln, die ohne technisches Fachwissen bedient werden können. Dies erfordert einfache, modulare Systeme, die sich selbst konfigurieren und nahtlos miteinander kommunizieren.
Die Digitalisierung verändert die Gebäudetechnik grundlegend. Sie eröffnet neue Möglichkeiten für Energieeffizienz, Komfort und Sicherheit, treibt aber auch die Vernetzung und Integration von Geräten voran. Wir sehen eine Zukunft, in der Gebäude proaktiv agieren – sie erkennen die Bedürfnisse der Bewohnerinnen und Bewohner und passen sich automatisch an. Zudem wird die Gebäudetechnik verstärkt mit anderen Sektoren wie Energieversorgung, Mobilität und Gesundheit interagieren.
Herr Jörgens, wir danken Ihnen für das angenehme Gespräch!
Artikel im Audio-Format:
Redaktion:
Ilka
Klein
Kategorie:
Leitprojekt
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