Datenräume, Sensorik und KI-Agenten: Die Zukunft des Wohnens neu gedacht
30. Juli 2025
Lesedauer:
10 Minuten
Die BrAIniacs GmbH hat sich auf den Einsatz und die Entwicklung von Künstlicher Intelligenz (KI) spezialisiert: von der Implementierung großer Sprachmodelle über maßgeschneiderte Chatbots bis hin zur Bereitstellung hochwertiger Lerndaten. Wir sprechen mit Dr. Maximilian Lowin, CTO der BrAIniacs GmbH, über mögliche Potenziale von Künstlicher Intelligenz (KI) im Gebäudesektor und die Motivation der Mitwirkung in SmartLivingNEXT.

Herr Dr. Lowin, die BrAIniacs GmbH hat sich auf den Einsatz von großen Sprachmodellen und maßgeschneiderten Chatbots spezialisiert. Wie tragen diese Technologien konkret zur Weiterentwicklung von Smart-Living-Lösungen bei? Können solche Systeme zum Beispiel die Kommunikation zwischen Gebäudetechnik, Anbietern und Bewohnerinnen und Bewohnern verbessern oder gar automatisieren?
Chatbots, die auf großen Sprachmodellen basieren, sind eine großartige technologische Möglichkeit, wie Menschen mit Computern in einer natürlichen Art und Weise interagieren können. Sie können die Anfragen, die Menschen haben, recht zuverlässig interpretieren und individuelle Antworten bereitlegen. Dies vermeidet Medienbrüche und schafft Inklusion: Kann man als Mietpartei beispielsweise Chatbots nutzen, um Probleme in der Wohnung zu melden, muss man nicht mehr auf lange, standardisierte Formulare zurückgreifen, die vielleicht gar nicht zu 100 Prozent zum eigentlichen Anliegen passen. Zusätzlich können Chatbots mit individueller Sprache verschiedene Teile der Gesellschaft abholen, die mit standardisierten Formularen derzeit noch potenziell vergessen werden. Das kann von vereinfachter Sprache über Fremdsprachen bis hin zur Übersetzung von Fachjargon reichen.
Eine verbesserte Kommunikation ist daher auch für die Gebäudetechnik denkbar und sogar sinnvoll. Wenn wir es uns aussuchen könnten, würden die meisten Menschen mit Smart-Living-Systemen viel lieber mit natürlicher Sprache interagieren wollen, als fünf unterschiedliche Apps auf dem Handy zu bedienen. Einheitliche Schnittstellen mit der Gebäudetechnik können dabei helfen, dass dieser Wunsch nicht nur Vision, sondern auch realistische Zukunft wird. SmartLivingNEXT leistet hier mit seinem KI-gestützten Ökosystem einen wichtigen Beitrag.
Können Sie uns Beispiele aus Ihrer bisherigen Arbeit nennen, bei denen KI-Lösungen von BrAIniacs erfolgreich in ähnlichen Bereichen wie dem Smart Living eingesetzt wurden? Gibt es Leuchtturmprojekte, aus denen SmartLivingNEXT für seine eigenen Entwicklungen lernen könnte?
Neben Chatbots für verschiedene Kundengruppen entwickeln wir auch klassische KI-Systeme, die anhand von Daten Vorhersagen treffen können, um Entscheidungen zu verbessern. Derzeit arbeiten wir mit der RFID Konsortium GmbH zusammen an einer KI-Lösung für Logistikprozesse. Hier nehmen wir mittels Sensorik Daten auf, die wir mit KI analysieren. So können wir vorhersagen, ob Waren ein bestimmtes Wareneingangstor verlassen oder nicht – ein Prozess, der zuvor durch komplizierte Einmessungen hohe initiale Aufwände beim Ausstatten von Lagern mit RFID-Sensorik verursacht hat. Diesen Vorgang können wir mittels KI deutlich vereinfachen.
Gerade die Themen Sensorik und Vereinfachung durch KI sehen wir bei SmartLivingNEXT auch ganz klar im Fokus. Auch im Smart-Living-Bereich gibt es die unterschiedlichste Sensorik, die bereits heute viele Informationen messen kann. Nutzt man diese Information in Form von Daten und bündelt sie, kann man diese dank geschickter Anbindung an KI-Algorithmen für die unterschiedlichsten Use Cases nutzen. Datengetriebene Entscheidungsfindung kann so helfen, Prozesse zu vereinfachen, energieeffizienter zu arbeiten und den Komfort im Wohnbereich zu erhöhen.
Sie sind kürzlich assoziierter Partner von SmartLivingNEXT geworden. Was hat Sie zu dieser Zusammenarbeit bewogen?
Wir haben bereits mit Spannung das Vorgängerprojekt ForeSight verfolgt. Ein Interesse an SmartLivingNEXT stand daher außer Frage. KI ist für uns mehr als ein Werkzeug. Zu sehen, wie verschiedene Anwendungen im Smart Living Bereich KI einsetzen, fasziniert uns. Wir als deutscher Mittelstand können nur von solchen Erfolgsstorys Made-in-Germany profitieren. Hieraus zu lernen und Ideen und Impulse mitzunehmen, bringt uns voran. Besonders interessiert uns auch das souveräne und vertrauenswürdige SmartLivingNEXT Ökosystem nach europäischen Wertevorstellungen mit den sechs Satellitenprojekten. So unterstützen wir beispielsweise das Projekt BIM-4-Care in der Anbindung an den SmartLivingNEXT Dataspace beratend.
Unsere Vision bei SmartLivingNEXT basiert auf der vollständigen Digitalisierung von Wohngebäuden mithilfe von geteilten Datenräumen. Wie sehen Sie die Rolle von Künstlicher Intelligenz in diesem Kontext? Welche spezifischen Vorteile kann KI bieten, um diese Prozesse nicht nur zu ermöglichen, sondern auch effizienter und zukunftssicher zu gestalten?
Die Digitalisierung von Wohngebäuden ist ein wichtiger Schritt, um diesen Bereich intelligenter machen zu können. KI kann nur dann sinnvoll eingesetzt werden, wenn qualitativ hochwertige und vor allem echte Daten vorhanden sind. Der Forschung stehen aktuell primär Datensätze aus dem englischsprachigen Raum bereit. Umso wichtiger ist es, dass durch geteilte Datenräume auch Realdaten hier in Deutschland erhoben werden, die die regionalen Gegebenheiten widerspiegeln. Dies erlaubt es der KI, bessere Vorhersagen treffen zu können. Von daher freut es uns zu hören, dass SmartLivingNEXT diesen wichtigen Schritt geht und durch die besondere Architektur auch auf die rechtlichen Gegebenheiten Rücksicht nimmt. Wir sehen KI daher als einen wichtigen Treiber an, der die Digitalisierung vorantreibt. Nur so können Daten gesammelt werden, die später maschinell ausgewertet werden können. Dies erlaubt es Ineffizienzen automatisiert zu identifizieren, die von Menschen nur schwer erfasst werden können, da diese die Unmengen an Daten gar nicht überblicken können. KI arbeitet also komplementär zu dem bereits vorhandenen Expertenwissen, hilft aber auch, dieses zu manifestieren und vor Wissensverlust zu schützen.
Nachhaltigkeit spielt eine immer größere Rolle, auch bei der Digitalisierung von Wohngebäuden. Wie berücksichtigt die BrAIniacs GmbH Aspekte wie Energieeffizienz, Ressourcenschonung und CO₂-Reduktion in der Entwicklung ihrer Technologien? Können KI-Lösungen sogar aktiv zur nachhaltigen Gestaltung von Smart-Living-Konzepten beitragen?
Unsere Algorithmen sind so ausgerichtet, dass die Vorhersageleistung in Einklang mit dem Energieverbrauch stehen muss. Oft verbrauchen komplexe KI-Modelle sehr viel Energie, da sie Computer mit einer hohen Rechenleistung benötigen. Eine Aufgabe kann aber ähnlich gut von weniger komplexen Modellen erledigt werden. Nehmen wir das eingangs erwähnte Beispiel der Sprachmodelle, die unter anderem bei Chatbots Verwendung finden. Viele Unternehmen setzen hier auf bewährte Lösungen wie ChatGPT, ohne sich im Klaren darüber zu sein, wie viel Energie bei einer Anfrage wirklich verbraucht wird. Wir setzen stattdessen in vielen Bereichen auf leichtgewichtigere Modelle, die auch lokal bei einem Unternehmen selbst betrieben werden können. Dies verbraucht nicht nur weniger Energie, sondern stärkt auch die digitale Souveränität von Unternehmen.
Im Bereich des Smart Livings ist die Fokussierung auf einen energieeffizienten Betrieb von KI-Algorithmen aus mehreren Gründen umso wichtiger. Zum einen werden KI-Algorithmen selbst dafür eingesetzt, Energieeinsparpotentiale zu identifizieren. Das ist großartig, vor allem, weil Algorithmen viel mehr Daten überblicken und vergleichen können als Menschen und so viel mehr Potentiale entdecken können. Darüber hinaus fällen sie objektivere Entscheidungen und können unter Einhaltung des Datenschutzes auch mehrere Wohnungen oder gar Wohngebäude gleichzeitig optimieren. Wenn nun jedoch die Algorithmen mehr Energie verbrauchen, als sie einsparen, haben wir zwar einen hohen Grad an Technologisierung erreicht, aber ein echter Mehrwert wurde nicht geschaffen. Zum anderen muss man bedenken, dass Wohnumfeld-verändernde Maßnahmen wie das Anbringen von zusätzlichen Dämmungen in Bestandsgebäuden zwar zur CO2-Reduktion effektiv beitragen können. Allerdings sind solche Maßnahmen sehr teuer und nehmen viel Zeit in Anspruch. Eine KI-basierte Lösung hingegen ist oft skalierbar und kann daher optimalerweise kostengünstig und schnell nachgerüstet werden.
Wenn Sie an die nächsten fünf bis zehn Jahre denken: Wie sehen Sie die Zukunft von KI im Bereich Smart Living? Gibt es Technologien, Ansätze oder Visionen, die Ihrer Meinung nach besonders viel Potenzial haben, um diesen Markt nachhaltig zu prägen?
Wir sehen in jüngster Zeit im Bereich der Chatbots viele Erfolgsgeschichten und Zukunftsvisionen in Richtung KI-Agenten, die nicht nur Informationen verarbeiten, sondern auch Entscheidungen treffen können. KI-Agenten sind jedoch keine neuartige Erfindung der generativen KI und finden in Smart-Living-Systemen schon lange Einzug. Ich denke jedoch, dass es hier noch besonders viel Potential zu heben gilt, um den Smart-Living-Bereich langfristig auch wirklich intelligent zu gestalten. Gerade Kontext-sensitive Bereiche wie das Wohnumfeld können von mehr und besseren Daten und Algorithmen nur profitieren. Auch der Bereich der generativen KI kann die Smart Living Branche weiter voranbringen. Generative KI muss nicht nur aus ChatGPT oder der Erstellung von Bildern zum Gestalten von PowerPoint-Folien bestehen. Generative KI kann auch Daten synthetisch erzeugen. Somit können beispielsweise Algorithmen an neue Situationen angepasst werden, für die noch nicht ausreichend Realdaten vorhanden sind. Im Bereich des Smart Livings sind das etwa neue Wohnungen, die frisch gebaut wurden, oder neue Verhaltensweisen, die sich etwa aus einem Mietparteienwechsel oder aus neuen Regularien ergeben. In den kommenden Jahren wird viel technologischer Fortschritt zu sehen sein und ich freue mich drauf, als assoziierter Partner von SmartLivingNEXT diesen Fortschritt auch live verfolgen zu können.
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Redaktion:
Ilka
Klein
Kategorie:
Leitprojekt
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