„KI-Anwendungen sind der Schlüssel zur Digitalisierung der gesamten Wertschöpfungskette.“ 

22. Oktober 2024

Lesedauer:

7 Minuten

Das technologiebasierte Bauunternehmen Gropyus setzt auf plattform-basierte und voll digitalisierte Gebäude in Holz-Hybrid Bauweise. Wir sprechen mit Erik Bossong, Expert Science Network bei Gropyus, über die Digitalisierung in der Baubranche, nachhaltige Lösungen für Gebäude und die Motivation der Mitwirkung in SmartLivingNEXT.

Erik Bossong, Expert Science Network bei Gropyus. Foto: © 2024 Michael Schmidt - www.schmidt.fm

Herr Bossong, Ihr Unternehmen möchte mithilfe von Technologie die Art und Weise revolutionieren, wie Gebäude gedacht, gebaut und betrieben werden, um bezahlbares und nachhaltiges Wohnen zu realisieren. Das klingt ähnlich wie das, was wir vorhaben. Sie sind mit Ihrem Ansatz eines Building Operation System aber bereits am Markt aktiv. Was hat Sie dennoch bewegt, an unserem Forschungsprojekt teilzunehmen? 

Unser eigenentwickeltes Building Operating System (BOS) dient als digitale Steuerungs- und Kommunikationsplattform für Bewohnerinnen und Bewohner sowie für Bestandshalter. Damit können Betriebskosten reduziert und zusätzliche Dienstleistungen angeboten werden. BOS trägt also zum betriebswirtschaftlichen Mehrwert für die Bestandshalter und zu höherer Zufriedenheit der Bewohnerinnen und Bewohner bei. Das vom Bundesministerium für Wirtschaft und Klimaschutz (BMWK) geförderte Technologieprogramm SmartLivingNEXT erarbeitet dahingehend weitreichende Grundlagen, die wir als Anbieter allein gar nicht schaffen könnten. Gerade im Bereich der Harmonisierung und Standardisierung versprechen wir uns wertvolle Erkenntnisse aus unserer Partnerschaft mit SmartLivingNEXT. Gropyus existiert, um Teil der Lösung zweier großer gesellschaftlicher Probleme zu sein – dem Wohnraummangel und der Klimakrise. Diese Herausforderungen können wir gemeinsam wesentlich besser bewältigen. 

Laut Ihren Aussagen können Nutzerinnen und Nutzer rund eine Tonne CO2 sparen, wenn sie in Gropyus-Gebäuden wohnen. Welche Rolle spielt hierbei die Digitalisierung in zukünftigen Wohn- und Lebensumgebungen? 
 
In einem Forschungsprojekt für das Bundesumweltministerium entwickeln wir aktuell ein Werkzeug, das eben diese Berechnung und Echtzeitüberwachung der Klimabilanz unserer Gebäude über ihren Lebenszyklus, inklusive Materialbeschaffung, Produktion und Errichtung, ermöglicht. Erst durch dieses Tool ist die Skalierung der Nachhaltigkeitsbetrachtung über unsere Gebäude möglich: Wir entwickeln Gebäude als Produkt, um durch die Skalierung die in der Bauwirtschaft dringend benötigte Kostensenkung zu erreichen – allerdings ist die Berechnung der Klimabilanz zeitaufwendig und nur von Expertinnen oder Experten durchführbar. Kleinste Anpassungen führen hier zu erneutem, zeitaufwändigem Berechnungsbedarf. Erst durch End-to-End Digitalisierung sind wir in der Lage, diesen Prozess in die Skalierung überführen zu können. 

Ganz allgemein gesprochen: Wie lassen sich KI-Anwendungen im Bauwesen sinnvoll einsetzen?  
KI-Anwendungen sind der Schlüssel zur Digitalisierung der gesamten Wertschöpfungskette. Sie unterstützen uns dabei, notwendige Synergien und Skaleneffekte zu erzielen. Das Bauwesen und seine Prozesse sind komplex, wesentlich komplexer als beispielsweise die Produktion von Fahrzeugen. Diese Komplexität – angefangen beim Entwurf über die Produktion bis zur Errichtung – zu reduzieren, ist eine sinnvolle Anwendung von KI. 

Welche smarten Services sind aktuell aus Ihrer Erfahrung für die Bauherren und Bewohner besonders interessant, um einen Mehrwert zu generieren? 

Derzeit gibt es einen großen Bedarf in der Wohnungswirtschaft, Gebäude sehr einfach zu verwalten und zu steuern, zum Beispiel im Monitoring der Verbrauchsdaten oder dem ESG-Reporting. Dies sorgt für verbesserte Abläufe und trägt zur Steigerung der Effizienz und Senkung der Betriebskosten bei. 

Aus Sicht der Bewohnerinnen und Bewohner erhalten wir häufig das Feedback, dass sie gerne über eine einheitliche Oberfläche zusätzliche Services buchen würden, wie beispielsweise Internet. Auch die Steuerung von Heizungen, Klimaanlagen, Beleuchtung, Jalousien und Türschlösser sowie das Einstellen von Routine-Abläufen sind von großem Interesse. Gewünscht werden die klassischen Smart Home Features als fertige Lösung, die beim Einzug bereitstehen sollen. Insgesamt ermöglichen smarte Services eine bessere Kontrolle und Transparenz im Hinblick auf Energie, Sicherheit und Komfort. Sie schaffen für Bauherren und Bewohnerinnen und Bewohner sowohl kurz- als auch langfristig einen erheblichen Mehrwert, indem sie den Alltag erleichtern und gleichzeitig die Nachhaltigkeit fördern. 

Mal in die Zukunft geschaut: Welche neuen Services könnten ihrer Meinung nach noch entstehen, wenn wirklich Daten über alle Gebäude hinweg sicher und ohne technische Hürden zugänglich wären?  

Durch die Vernetzung von mehreren und vielen Gebäuden lassen sich immer größere Effizienzen generieren: Lokale Cluster erlauben ein sehr gutes Energiemanagement, in dem Gebäude insgesamt als Speicher agieren und sich mit benachbarten Gebäuden effizient und abhängig vom Energiebedarf abstimmen können. Zugleich wird die Auswertung der anonymisierten Daten erlauben, Rückschlüsse auf die Zusammenhänge zwischen vielen, bisher noch unberücksichtigten Faktoren zu geben: Energiebedarfe und Wartungsarbeiten werden sich viel besser antizipieren lassen. Das Mikroklima kann durch Abstimmung von Gebäuden in lokalen Clustern verbessert werden, in dem zum Beispiel noch verschattete Gebäude bereits überhitzte Gebäude kühlen, während bei Wärmebedarf der Prozess entsprechend andersherum funktioniert. Aber auch die Sicherheit der Bewohnerinnen und Bewohner lässt sich erhöhen. Akute Warnungen können in Echtzeit verteilt werden, auf Basis von über Sensoren gewonnene Echtzeitdaten eines beispielsweise nah an einem Fluss gebauten Gebäudes können eigenständig Warnungen an weiter abwärts oder landeinwärts liegende Häuser abgegeben werden. 

In circa zwei Jahren soll das Forschungsprojekt SmartLivingNEXT in die Verwertungsphase gehen. Gibt es Dinge, die Sie für essenziell halten, damit Ihr Unternehmen sich diesem Smart-Living-Ökosystem später auch tatsächlich anschließt? 
 
Natürlich ist für uns besonders bedeutsam, dass die Plattform eine breite Zustimmung findet – für uns kommt es also auch darauf an, dass im Rahmen der Verwertungsphase sehr viel Öffentlichkeitsarbeit betrieben wird. Wir sehen die Chance, auf dieser Plattform unsere eigenen Services auch jenseits unserer Gebäude anzubieten. Gerade auch im Bereich der standardisierten Semantik haben wir hier große Hoffnungen! Essenziell ist aus unserer Sicht, dass der Bund die Bedeutung dieser Plattform dadurch unterstreicht, indem er interessante und attraktive Beteiligungsangebote für Unternehmen schafft. 

Herr Bossong, wir danken Ihnen für das Gespräch! 

Redaktion:

Ilka

 Klein

Kategorie:

Leitprojekt

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Foto: © 2024 Michael Schmidt – www.schmidt.fm

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