Zweite Generalversammlung von SmartLivingNEXT: Weichen für den Realbetrieb gestellt
5. Februar 2025
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15 Minuten
Am 28. Januar 2025 traf sich die SmartLivingNEXT Community zur zweiten Generalversammlung im Forum Digitale Technologien in Berlin. Mit über 84 Konsortialpartner-Organisationen ist dies der bislang größte Forschungsverbund im Bereich Smart Living in Deutschland – und geht bereits zur Halbzeit mit großen Schritten in die Verstetigungsphase.
Eröffnet wurde die ganztägige Veranstaltung von Michael Schidlack, Forschungsvereinigung Elektrotechnik beim ZVEI e. V. und Konsortialleitung des SmartLivingNEXT Leitprojekts. In seiner Auftaktrede betonte er den enormen Fortschritt von Leitprojekt und Satellitenpartnern und begrüßte die Teilnehmerinnen und Teilnehmer, darunter auch Dr. Klaus Glasmacher, den Vertreter des Bundesministeriums für Wirtschaft und Klimaschutz (BMWK), der durch seine Expertise einer der geistigen Urväter dieses Projekts sei. Mit SmartLivingNEXT entstehe eine Plattform für den Wohngebäudebereich, die es so in dieser Form noch nicht gäbe und damit auf nationaler und internationaler Ebene einzigartig sei, betonte Glasmacher. Mit der Entwicklung von zahlreichen nachhaltigen Smart-Living-Services würden zukünftig viele Branchen, wie beispielsweise die Gesundheitsbranche, sowohl finanziell als auch personell enorm entlastet.
Realbetrieb im Fokus
Was dies nun konkret bedeutet, erläuterte Michael Schidlack im Anschluss. „Unsere Community wächst schnell, im Schnitt um einen neuen Partner pro Woche. Das Interesse wächst. Alle wesentlichen technischen Grundlagen für das SmartLivingNEXT Ökosystem sind erfolgreich implementiert. Durch die Integration von ersten KI-Basisservices und der Anbindung weiterer Datenquellen an den SmartLivingNEXT Dataspace wurde der Grundstein für ein technisch funktionsfähiges föderiertes Datenökosystem gelegt. Damit können wir das Verstetigungskonzept nun bereits im Herbst dieses Jahres angehen.” Durch die Erfüllung des EU Data Act setze das Projekt neue Maßstäbe für den sicheren und effizienten Datenaustausch in der Smart-Living-Branche. Damit werde Deutschland als Vorreiter im internationalen Wettbewerb positioniert und als Innovationsstandort für die digitale Immobilienwirtschaft gestärkt. Im Fokus stehe dabei in diesem Jahr vor allem die Vorbereitung zur Überführung in einen Realbetrieb im Jahr 2027. So plane man bereits Ende dieses Jahres nicht nur die technischen, sondern auch die wirtschaftlichen Rahmenbedingungen so weit präzisiert zu haben, damit sich alle relevanten Stakeholder mit ihren Planungen frühzeitig vorbereiten können.
Digitale Zukunft gestalten: Diversität, Bildung und Datenschutz als Schlüssel für Smart Living
Mit großer Spannung wurde das Interview mit Christine Regitz, Präsidentin der Gesellschaft für Informatik e. V. und Head of Women in Tech@SAP, von den Teilnehmenden erwartet, die online auf einem großen Bildschirm zugeschaltet wurde. Sie betonte die entscheidenden Faktoren für eine erfolgreiche digitale Transformation, darunter frühzeitige informatische Bildung sowie die Digitalisierung von Schulen, Unternehmen und Verwaltung. Für sie bedeute Smart Living mehr als Komfort: Smart-Energy-Konzepte, vernetzte Gebäude für höhere Klimaeffizienz sowie digitale Pflege- und Gesundheitslösungen seien zentrale Zukunftsfelder für den wirtschaftlichen Erfolg Deutschlands. Dabei bleiben die europäischen Wertvorstellungen ein unverzichtbarer Faktor. Die Nutzenden müssten im Mittelpunkt stehen – insbesondere ihr Recht auf Datenschutz und Selbstbestimmung.
„KI ist gekommen, um zu bleiben!”
Mit diesen Worten eröffnete Filip Milojkovic von Materna seinen Vortrag zum Thema “Onboarding und Dataspacebetrieb”. „Mit SmartLivingNEXT treiben wir die technologische Reife von Ökosystemdiensten gezielt voran. Unser Ziel ist es, bis 2026 den Übergang von spezialisierten Einzellösungen hin zu einem skalierbaren Dataspace-as-a-Service zu vollziehen. Damit schaffen wir eine standardisierte und marktfähige Infrastruktur, die es ermöglicht, digitale Dienste nahtlos und interoperabel in Smart-Living-Umgebungen zu integrieren. Dieser Schritt ist essenziell, um aus Forschungsergebnissen echte, wirtschaftlich tragfähige Anwendungen zu machen und die Digitalisierung im Smart-Living-Bereich nachhaltig voranzutreiben.“
Governance für Smart-Living-Datenräume
„Damit sich SmartLivingNEXT langfristig etabliert, müssen drei Aspekte berücksichtigt werden: Governance schafft Vertrauen, Nutzerakzeptanz sorgt für eine breite Nutzung, und wirtschaftlich tragfähige Geschäftsmodelle sichern die Nachhaltigkeit des Ökosystems“, resümierte Prof. Dr. Thomas Hess von der LMU München und Konsortialpartner von SmartLivingNEXT. „Bis Herbst 2025 werden wir die Gestaltung von Geschäftsmodellen digitaler Ökosysteme und die Entwicklung eines Rahmenwerkes für deren Management weiter vorantreiben und finalisieren. Damit sind wir unserem Zeitplan weit voraus”, kommentierte Hess abschließend.
„Co2-Neutralität geht nur über Gebäudeoptimierung!”
Darauf folgte ein Gespräch zwischen Ingeborg Esser, Hauptgeschäftsführerin des GdW Bundesverband deutscher Wohnungs- und Immobilienunternehmen e. V. und dem Projektleiter Michael Schidlack. Sie betonte die zentrale Bedeutung der Digitalisierung für die Wohnungswirtschaft. Während das Vorprojekt ForeSight bereits wichtige Grundlagen geschaffen habe, fehle es bislang an praktischen Umsetzungen. SmartLivingNEXT solle nun entscheidende Fortschritte liefern – insbesondere für digitale, gering-investive Maßnahmen im Gebäudebestand.
Ein zentrales Problem sei die bei klassischen Technologien fehlende ganzheitliche Vernetzung von Hard- und Softwaresystemen im Gebäudebetrieb. Effizienzsteigerungen könnten nur erreicht werden, wenn bisher isolierte Systeme besser zusammenspielten. Automatisierte Prozesse, ein einfach zugänglicher Datenaustausch und neue Steuerungslogiken, etwa für Wärmepumpen, seien hierfür essenziell. Die Wohnungswirtschaft brauche dringend eine funktionierende Daten- und Vernetzungsinfrastruktur, auf der neue digitale Services einfach aufgesetzt werden könnten. Auch für Mieterinnen und Mieter bestehe erhebliches Potenzial. Um eine transparente Kommunikation über Energiekosten zu ermöglichen, müsse die rechtliche Grundlage für die Verarbeitung von Verbrauchsdaten angepasst werden. Zudem brauche es digitale Basisdienste für Vermietungs- und Verwaltungsprozesse, etwa eine standardisierte digitale Identifikation von Mietern und Interessenten.
„Die Wirtschaftsinitiative Smart Living, in dessen Vorstand ich ebenso tätig bin, unterstützt SmartLivingNEXT aktiv, weil wir denken, dass dringend notwendig ist, die Forschungsergebnisse in die Praxis zu überführen. Ziel ist es, verbindungsstandardübergreifende, intelligente Datenräume für Smart-Living-Anwendungen zu etablieren. Hierfür müssen verstärkt kapitalstarke Industriepartner gewonnen und konkrete Maßnahmen entwickelt werden”, so Esser.
Proptech-Investitionen als Schlüssel zu nachhaltigem, digitalem Wohnen
Niklas Grunewald, Leiter des Redstone-Fonds für Gebäude, Infrastruktur und Energie, erklärte im Interview mit Michael Schidlack, dass Redstone in Proptech-Unternehmen investiere, die durch technologische Innovationen den Immobilienmarkt disruptiv verändern könnten. Das Ziel sei, Lösungen zu finden, die ökologische und ökonomische Effizienz bieten würden. Der Proptech-Markt wachse dynamisch, wobei der Schwerpunkt auf Technologien liege, die den Energieverbrauch senken und den Betrieb von Gebäuden effizienter gestalten könnten.
Besonders gefragt seien Lösungen für Energiemanagement, digitale Verwaltungssysteme und KI-gestützte Wartung. Für Start-ups im Smart-Living-Bereich empfahl Grunewald ein starkes Marktverständnis und ein skalierbares Geschäftsmodell, das durch Pilotprojekte und belastbare Zahlen untermauert werden müsse. Erfolgreiche Technologien müssten bestehende Prozesse messbar verbessern. Grunewald: „SmartLivingNEXT sehe ich als äußert wichtig an, um die Skalierung innovativer Proptech-Lösungen massiv zu beschleunigen und kostengünstiger zu gestalten. Hierdurch könnten nachhaltige und ressourcenschonende Lösungen für die Zukunft des Wohnens entstehen.”
Smartes Energiemanagement unterstützt Klimaneutralitätsziele
Im Anschluss daran wurden sechs spezifische Use Cases aller SmartLivingNEXT Projekte präsentiert. Den Anfang gestaltete Dr. Christoph Kost vom Institut für Solare Energiesysteme ISE der Fraunhofer Gesellschaft und Konsortialleitung bei FAME4ME. In diesem Use Case werden die Möglichkeiten der Nutzung von KI-gestützten Algorithmen beim nachhaltigen Energiemanagement in smarten Wohn- und Gebäudeumgebungen analysiert. Hier wird untersucht, wie verschiedene Nutzergruppen auf individualisierte dynamische Stromtarife reagieren. „Aktuell liegen wir sehr gut im Zeitplan und werden uns nun Vorstudien und Simulationen widmen, um eine nutzerfreundliche Plattform hinsichtlich Preissignalen und Handlungsempfehlungen zu entwickeln”, erklärte Kost.
Selbstbestimmte Datenverwaltung
Das Projekt COMET, ein Bestandteil des Leitprojekts, sammelt gelabelte Nutzerdaten und entwickelt eine Crowdsourcing-App, die die Verwaltung von Datenzugriffsrechten und die Bereitstellung von Daten ermöglicht. So können Nutzende beispielsweise personalisierte Informationen und Statistiken, etwa zum Energieverbrauch, abrufen. Dr. K. Valerie Carl von der Goethe-Universität Frankfurt am Main und Konsortialleiterin bei COMET, stellte den Teilnehmenden die Ziele für 2025 vor. So solle im ersten Quartal die Nutzenden Evaluation generativer KI-User Interfaces erfolgen und der Statistik-Service durch zusätzliche Algorithmen verbessert werden. Anschließend werde im zweiten Quartal die finale Evaluation des User Interfaces und der Beteiligungsmechanismen durchgeführt. Für das dritte Quartal sei die Entwicklung eines Expertenchatbots zur Nachhaltigkeit geplant, der in die Crowdsourcing-App integriert werde. Carl abschließend: „Im vierten Quartal wird die App veröffentlicht, die reguläre Datenfreigabe freigeschaltet und die Anbindung an den SmartLivingNEXT Dataspace erfolgen. Damit erhalten Data Owner die Chance aktiv am SmartLivingNEXT-Ökosystem teilzunehmen und ihre Daten freiwillig bereitzustellen.”
Intelligente Planung von Pflege und Umbaumaßnahmen
In BIM-4-CARE soll die Planung des Pflegebedarfs, Umbaumaßnahmen sowie fachliche Umsetzung und Interoperabilität von Systeminstallationen verbessert werden. Professor Sven Rogalski von der Hochschule Darmstadt berichtete, dass insgesamt 96 Parameter für das Sozialassessment dokumentiert werden konnten, wobei 1.056 Datenpunkte gesammelt wurden. 11 Wohnumgebungen seien bereits vollständig erfasst. 243 bauliche Parameter wurden aufgenommen, durch 360 Grad-Erfassung konnten über 540 Quadratmeter detailliert dokumentiert werden. In diesem Zusammenhang konnten 2.673 Datenpunkte zu Gebäuden erfasst werden, die eine fundierte Analyse ermöglichen.
DuITeasy: Smart-Home-Innovation für mehr Lebensqualität
DuITeasy verwendet als erstes Projekt im Technologieprogramm den SmartLivingNEXT Dataspace Blueprint. Nach dem erfolgreichen Deployment und der Anbindung verschiedener Testwohnungen der Konsortialpartner DFKI und easierLife ging dieser bereits im Juli 2024 in Betrieb. Damit können die Projektentwickler nun einen Assistenz-Dataspace (ADS) inklusive intelligenter Anwendungen und Basisservices aufbauen. Dieser ADS enthält alle für Assistenzleistungen notwendige Daten, Schnittstellen und Systeme. Florian Böhle, Forschungsprojektleiter bei der EasierLife GmbH und Konsortialführer von DuITeasy: „Ein einheitlicher Datenzugangspunkt ist entscheidend für die nahtlose Integration und Interoperabilität verschiedener Datenquellen im Projekt DuITeasy.” Die EasierLife GmbH verfolgt mit DuITeasy das Ziel, innovative und adaptive Smart-Home-Lösungen für Senioren und Menschen mit eingeschränkter Mobilität zu schaffen – ein wichtiger Beitrag für die Zukunft der häuslichen Unterstützung.
Dem Fachkräftemangel im Bereich Pflege entgegenwirken
Kann technische Assistenz kombiniert durch KI-Services dazu beitragen, dem Fachkräftemangel in der Pflege entgegenzuwirken? Dies war nur eine von vielen Fragen, die Enrico Löhrke, Geschäftsführer der inhaus GmbH und Konsortialführer bei ExpliCareNEXT, in seinem Vortrag aufgrund seiner jahrzehntelangen Erfahrung in diesem Bereich kompetent beantwortete. Der Fokus seines Projektes liegt auf der Vereinfachung der Pflegeprozesse und soll Personalengpässe durch eine technische Assistenzausstattung in der Wohnumgebung und künstlicher Assistenz entspannen, indem ungelernte Kräfte durch natürlichsprachliche Handlungsanleitungen befähigt werden, Pflegetätigkeiten mit hoher Qualität durchzuführen. Dies soll dem in Deutschland immer größer werdenden Fachkräftemangel entgegenwirken. Erklärtes Ziel für dieses Jahr: die Anbindung an den SmartLivingNEXT-Dataspace, um darauf aufbauend innovative Geschäftsmodelle zu entwickeln.
Gesundheitsorientiertes Wohnen für ältere Menschen
Last but not least präsentierte Nizar Müller vom Hospital zum Heiligen Geist und Konsortialleitung bei GAiST, dass die Anbindung an den SmartLivingNEXT-Datenraum ebenso unmittelbar bevorstehe. Dafür wurden Wohnungen mit Sensoren ausgestattet, um so gesundheitsrelevante Informationen zu sammeln und zu analysieren. Mit der Anbindung an den Datenraum können Patienten, Pflegende und Ärzte in ihren Tätigkeiten unterstützt werden, um das Leben in den eigenen vier Wänden lebenswerter zu gestalten. Durch Einsatz von Open Source und medizinischen sowie industriellen Standards zielt das Projekt auf eine Reduktion der Kosten und des Personalbedarfs im Gesundheitswesen ab.
Ausblick der Begleitforschung
Gutgelaunt und motivierend gab Dr. Marieke Rohde stellvertretend für die Begleitforschung abschließend einen Überblick über die Aufgaben und Umsetzung sowie einen Ausblick auf mögliche Geschäftsmodelle und deren Verwertung. Die Begleitforschung fördere die Zusammenarbeit zwischen den Satellitenprojekten und dem Hauptprojekt, um einen reibungslosen Ablauf zu gewährleisten.
Die zweite Generalversammlung von SmartLivingNEXT unterstrich die Rolle des Projekts als Schlüsselakteur bei der Digitalisierung von Wohngebäuden. Die enormen Fortschritte der einzelnen Projekte zeigen: die Weichen für einen Realbetrieb sind bereits jetzt gestellt, es geht mit großen Schritten in die Verstetigung. Damit bietet das Technologieprogramm vielversprechende technologische Anwendungen und smarte Services für die Zukunft des intelligenten Wohnens.
Redaktion:
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