Vom Datenraum zur Zusammenarbeit: Wie SmartLivingNEXT Standards und Vertrauen schafft 

26. Februar 2025

Lesedauer:

7 Minuten

SmartLivingNEXT schafft mit einer innovativen Governance-Struktur die Basis für ein branchenübergreifendes Smart-Living-Ökosystem. Durch Standards, Vertrauen und soziale Ziele wie nachhaltiges Wohnen fördert es Datenintegration, Effizienz und Mehrwert für alle Akteure – von Unternehmen bis zu Endnutzern. Wir sprechen mit Thomas Hess, Professor für Wirtschaftsinformatik und Betriebswirtschaftslehre an der LMU München, über die Entwicklung und Bedeutung einer Governance-Struktur für den SmartLivingNEXT Datenraum.

Thomas Hess, Professor für Wirtschaftsinformatik und Betriebswirtschaftslehre an der LMU München. Foto: Tobias Hase / LMU BWL

Herr Professor Hess, im SmartLivingNEXT Leitprojekt entwickelt die LMU eine Governance-Struktur für das Technologieprogramm. Das ist ein Regelwerk, das für das gesamte SmartLivingNEXT Ökosystem gelten soll. Welche Vorteile entstehen durch die Implementierung eines solchen Regelwerks?

Es gibt drei essenzielle Punkte, die für eine Governance-Struktur im SmartLivingNEXT Ökosystem sprechen: 

  • Die Realisierung eines (bindenden) Rahmens für die erfolgreiche Zusammenarbeit, so dass sich teilnehmende Partner auf gemeinsame Ziele und Vereinbarungen verlassen können. Das fördert insbesondere den Aufbau von Vertrauen, der eine zentrale Voraussetzung für das Teilen von Daten darstellt. 
  • Die Ermöglichung von Interoperabilität durch das Festlegen gemeinsamer technischer, aber auch organisatorischer Standards. 
  • Die Steigerung der Effizienz, da nicht jedes Projekt beziehungsweise jeder potenzielle Teilnehmer am Smart-Living-Next-Ökosystem eigene Rahmenbedingungen definieren und aushandeln muss. 

Welche Ebenen beziehungsweise Kernelemente enthält die Governance-Struktur von SmartLivingNEXT? 

Wir fokussieren uns auf vier Kernelemente: Rechtliche, organisatorische, betriebliche und technische Aspekte. Bei jedem Element haben wir verschiedene Hebel, um die verschiedenen Teilnehmer des Ökosystems zu koordinieren, Kontrollfunktionen einzusetzen, Anreize für das Engagement im Ökosystem zu setzen, und Vertrauen aufzubauen. Die einzelnen Elemente sind dabei nicht unabhängig voneinander. So hilft beispielsweise der Data Governance Act (DGA) als rechtlicher Rahmen, Organisationsstrukturen aufzubauen, die einen sicheren Datenaustausch ermöglichen.

Wie sehen Sie die Governance-Struktur von SmartLivingNEXT im Vergleich zu anderen datengetriebenen Plattformen wie beispielsweise Industrie 4.0 oder Catena-X? Gibt es da Unterschiede?

Wir sehen hier vor allem drei Aspekte: die Vielfalt der zugrunde liegenden Akteure und Beziehungen, den Mehrwert für alle Akteure sowie die Verfolgung übergreifender sozialer Ziele. 

Ziel von Catena-X ist die Optimierung der Wertschöpfungsprozesse innerhalb der Automobilindustrie. Es handelt sich primär um B2B-Austauschprozesse innerhalb einer Branche. SmartLivingNEXT umfasst dagegen Unternehmen unterschiedlicher Branchen, zu denen Wohnungswirtschaft, Energie, Pflege, Gesundheit, öffenliche Versorger und langfristig sicherlich weitere zu zählen sind. Im Vergleich zu Catena-X muss die Governance-Struktur somit eine höhere Vielfalt an Gegebenheit und Interessen berücksichtigen. Zudem spielen die Endnutzer wie zum Beispiel die Bewohner von Wohnungen als Datenproduzenten eine wesentliche Rolle. Es handelt sich um B2B2C-Austauschprozesse innerhalb und zwischen mehreren Branchen. Hierin liegt sicherlich eine Besonderheit im Vergleich zu anderen Initiativen.  

Für diese verschiedenen Nutzergruppen, in unserem Falle eben auch für Privatpersonen, die zur Miete oder im Eigentum wohnen, bietet SmartLivingNEXT einen hohen Mehrwert. Dies haben wir im Rahmen einer Nutzertypologie analysiert. In anderen Datenraum-Initiativen sehen wir dies nicht in vergleichbarer Weise, da meist keine Daten genutzt werden, die unter die DSGVO fallen. 

Ein weiterer Aspekt, der die Einzigartigkeit von SmartLivingNEXT unterstreicht, ist schließlich die Verfolgung übergreifender sozialer Ziele. Im Gegensatz zu anderen Initiativen, die primär wirtschaftliche Effizienz oder technologische Innovationen fokussieren, integriert SmartLivingNEXT auch soziale und ökologische Zielsetzungen. Dies umfasst beispielsweise die Verbesserung der Wohnqualität und die Unterstützung nachhaltiger Lebensstile. 

Diese Spezifika verdeutlichen, wie sich die Governance von SmartLivingNEXT von anderen Initiativen unterscheidet. Sie unterstreichen die Bedeutung einer sorgfältig konzipierten Governance-Struktur, die sowohl datengetriebene Innovation als auch soziale Verantwortung fördert. 

Eine zentrale Aufgabe der Governance ist die Entwicklung standardisierter Onboarding-Prozesse für Satelliten- und Community-Projekte beziehungsweise deren Mitglieder. Hier werden unter anderem Prozesse für den geregelten Ein- und Austritt von Teilnehmenden oder der Umgang mit von Partnern eingebrachten Services und Daten definiert. Worin besteht die Herausforderung einer solchen Aufgabe und wie gehen Sie bei der Konzeptentwicklung vor? 

Die oben beschriebene heterogene Struktur stellt uns vor Herausforderungen. Jedes beteiligte Projekt oder Unternehmen hat eigene Voraussetzungen. Das Onboarding muss also so gestaltet sein, dass es zum einen für jeden (potenziellen) Partner individuell angepasst und zum anderen so standardisiert ist, dass wir später skalieren können.  

Für die Konzeptentwicklung sind wir zunächst in einen intensiven Austausch mit unseren Satellitenprojekten – die die Use-Cases im Ökosystem entwickeln – getreten, um deren spezifische Anforderungen an den Onboarding-Prozess zu erfassen. Darauf aufbauend haben wir die Verfahrensweisen anderer Initiativen analysiert und bewertet. Diese Informationen bildeten die Grundlage, um die Kernelemente unseres Onboarding-Prozesses zu identifizieren und zu entwickeln. Bei der Ausgestaltung der zugehörigen rechtlichen Rahmenbedingungen unterstützte uns zudem ein spezialisierter Jurist.  

Dieser integrative Ansatz gewährleistet, dass unser Onboarding-Prozess nicht nur den Bedürfnissen aller Beteiligten gerecht wird, sondern auch die rechtliche Compliance sicherstellt. Dadurch schaffen wir eine robuste Basis für die nahtlose Integration neuer Partner und fördern gleichzeitig eine langfristige Zusammenarbeit innerhalb des Projektnetzwerks. 

Wie gewährleistet die Governance bei SmartLivingNEXT einen rechtssicheren Umgang mit Daten innerhalb des Dataspaces, ein erfolgreiches Zugriffsmanagement sowie die dazugehörige Transparenz für Dateneigentümer und Datenlieferanten? 

Auch hierfür haben wir mehrere Hebel zur Verfügung. Zum einen stellen wir langfristig durch ein SmartLivingNEXT-Regelwerk Compliance zu wichtigen Gesetzen, wie beispielsweise dem DGA oder der DSGVO her. Zum anderen werden die tatsächlichen Datenflüsse zwischen den Teilnehmern vertraglich abgesichert. Das heißt jeder Datenanbieter kann genau definieren, wer, wann, wie lange und in welchem Umfang Daten zur Verfügung gestellt bekommt – und was passiert, wenn diese Vereinbarungen verletzt werden. Verschiedene Föderatoren können diese Austausche unterstützen und beispielsweise zusätzliche Dienstleistungen anbieten, welche die rechtlichen Themen vereinfachen. 

Diese Maßnahmen sind darauf ausgelegt, einen strukturierten und sicheren Rahmen für die Teilnehmer von SmartLivingNEXT zu schaffen und die notwendige Transparenz und Verlässlichkeit für die Entwicklung von Geschäftsmodellen und Angeboten auf der Plattform ForeSightNEXT zu gewährleisten. 

Mit SmartLivingNEXT soll das führende Smart-Living-Datenökosystem entstehen. Nach Beendigung der dreijährigen Förderphase soll es allen Organisationen im Wohnumfeld möglich sein, daran teilzunehmen. Wie sehen Sie die Chancen für eine Verstetigung vor dem Hintergrund einer transparenten und vertrauenswürdigen Governance des Technologieprogramms? 

Eine vertrauenswürdige und transparente Governance-Struktur ist sicherlich eine wesentliche Basis. Für eine langfristige Verstetigung wird es aber nicht reichen. Entscheidend ist, den Mehrwert von SmartLivingNEXT für die oben genannten Akteure herauszuarbeiten. Je höher der wahrgenommene Mehrwert ist, desto höher ist der Anreiz, sich an SmartLivingNEXT zu beteiligen. Insofern ist es wichtig, schon während der Projektphase Fragen der Akzeptanz der unterschiedlichen Nutzergruppen sowie insbesondere die Entwicklung datengetriebener Geschäftsmodelle zu thematisieren. 

Herr Professor Hess, wir danken Ihnen für das angenehme Gespräch!

Redaktion:

Ilka

 Klein

Kategorie:

Leitprojekt

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Foto: Tobias Hase / LMU BWL

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