„Wir wollen eine branchenübergreifende digitale Vernetzung der Gebäudetechnologien vorantreiben, um so zukunftsfähige Lösungen für Industrie und Gesellschaft zu entwickeln.“
6. Januar 2025
Lesedauer:
9 Minuten
Digitale und datengetriebene Geschäftsmodelle eröffnen enormes wirtschaftliches und gesellschaftliches Wertschöpfungspotential. Wir sprechen mit Wolfgang Weber, ZVEI-Vorsitzender der Geschäftsführung, über die strategischen Herausforderungen auf dem Weg in eine “Shared Data Economy” und die Bedeutung von Datenökosystemen wie SmartLivingNEXT für den Verband und die Branche.
Herr Weber, der ZVEI engagiert sich derzeit in mehreren strategischen Projekten zu digitalen Ökosystemen wie Manufacturing-X oder SmartLivingNEXT. Bei beiden Projekten geht es im Grundsatz um dieselbe Idee: Mehrwerte durch geteilte Datenräume zu schaffen. Warum ist das Konzept eines geteilten Datenraums, sprich „Shared Data Economy“, für Ihren Verband und die Branche so wichtig?
Der ZVEI sieht in der “Shared Data Economy” einen wesentlichen Treiber für die digitale Transformation, sowohl im Bereich Smart Living als auch in der Industrie. Ein geteilter Datenraum ermöglicht es, Informationen sicher und effizient auszutauschen, was nicht nur den Innovationszyklus beschleunigt, sondern auch die Wertschöpfungsketten stärkt.
Für uns als Verband ist die Schaffung solcher Datenräume eine wichtige Grundlage, um die Wettbewerbsfähigkeit der deutschen Industrie und damit unserer Mitglieder zu stärken und den Übergang zu einer digitalen, vernetzten und klimafreundlichen Gesellschaft zu ermöglichen. Auch Sicherheit und Datenschutz sind ein entscheidender Faktor. Deswegen setzen wir uns dafür ein, dass klare Standards und Regelwerke nach europäischen Wertvorstellungen etabliert werden, damit Unternehmen sicher und vertrauensvoll auf diese Datenräume zugreifen können.
Wie profitieren Ihre Mitglieder davon?
Durch die sichere gemeinsame Nutzung von Daten können Innovationen beschleunigt werden, da neue Erkenntnisse gewonnen und innovative Lösungen in einer kooperativen Umgebung entwickelt werden. Damit stärken unsere Mitglieder ihre Wettbewerbsposition. Geteilte Datenräume helfen dabei, Ressourcen effizienter zu nutzen, Redundanzen zu vermeiden und Prozesse zu optimieren, was die Produktivität steigert und die Kosten senkt. Darüber hinaus schaffen geteilte Datenräume oft auch Plattformen, auf denen neue Dienstleistungen und Geschäftsmodelle entstehen können. Unsere Mitglieder haben so die Möglichkeit, Zugang zu neuen Marktsegmenten und Kunden zu bekommen, die sie bisher nicht erschließen konnten, was ihr Wachstumspotenzial erhöht und ihre internationale Wettbewerbsfähigkeit stärkt. Gleichzeitig kann die Wertschöpfung durch Daten bei den nationalen Unternehmen verbleiben.
Innerhalb des ZVEI existiert bereits die Plattform “Gebäude”. Zudem haben Sie mit der neuen Plattform “Digital Ecosystems & Smart Services” einen speziellen Bereich geschaffen, um die Entwicklung von digitalen Ökosysteme voranzutreiben. Was erhoffen Sie sich davon? Was ist der Nutzen für die Industrie?
Wir verfolgen damit ein klares Ziel: Wir wollen eine branchenübergreifende digitale Vernetzung der Gebäudetechnologien vorantreiben, um so zukunftsfähige Lösungen für Industrie und Gesellschaft zu entwickeln.
Unsere Erwartungen sind umfassend: Wir möchten sicherstellen, dass die deutsche Industrie bei der Entwicklung intelligenter Gebäude und der Nutzung digitaler Technologien international wettbewerbsfähig bleibt. Ein digitales Ökosystem für Gebäude ermöglicht es Unternehmen, auf standardisierte Schnittstellen und Daten zuzugreifen und so neue, interoperable Lösungen zu entwickeln. Der Nutzen für die Industrie ist dabei enorm: Unternehmen können ihre Prozesse optimieren, Kosten senken und neue Geschäftsmodelle entwickeln – etwa im Bereich der smarten Energieverwaltung, der Wartungsservices und der Automatisierung. Zudem schaffen wir mit einer vernetzten Plattform die Grundlage für mehr Nachhaltigkeit, da Daten in Echtzeit ausgewertet und flexibel genutzt werden können, um den Energieverbrauch zu reduzieren und die Emissionen zu senken. So können wir gemeinsam einen Rahmen schaffen, der eine breite Einführung intelligenter, digital vernetzter Gebäudelösungen möglich macht.
Mit der neuen Plattform “Digital Ecosystems & Smart Services” (DESS) startet unser Verband eine zentrale Initiative, um die digitale Transformation der Industrie maßgeblich voranzutreiben. Die Plattform fördert den Austausch zwischen Unternehmen und unterstützt die zunehmende Vernetzung von IT und OT, um die Megathemen der Digitalisierung in praxisnahe Lösungen zu übersetzen. Damit bieten wir Unternehmen eine pragmatische und praxisnahe Unterstützung bei der digitalen Transformation. Unsere Foren schaffen nicht nur den Zugang zu wertvollem Fachwissen, sondern bieten vor allem Raum für den direkten Erfahrungsaustausch und das Entwickeln konkreter Lösungen. Durch die enge Zusammenarbeit mit unseren Mitgliedern können wir frühzeitig Markttrends erkennen und Unternehmen dabei unterstützen, diese gewinnbringend zu nutzen. Die Plattform DESS soll dabei ein Ort sein, an dem Theorie in die Praxis überführt wird.
Ist der European Data Act aus Ihrer Sicht hilfreich dabei? Wie bereiten Sie Ihre Mitglieder darauf vor?
Die Digitalisierung gewinnt immer mehr an Bedeutung, und mit ihr wächst die Notwendigkeit eines klaren und sicheren Rechtsrahmens für Hersteller und Anwender. Der European Data Act ist hierbei ein zentraler Baustein, da er sich mit dem Zugang zu und der Nutzung von nutzergenerierten Daten beschäftigt. Idealerweise trägt der Data Act dazu bei, dass auch rechtlich Daten entlang der Wertschöpfungskette von allen verschiedenen Beteiligten für ihre jeweiligen Belange fair genutzt werden können. In diesem Kontext konnten durch den Einsatz des ZVEI in der Gesetzgebung wichtige Fortschritte erzielt werden – etwa die stärkere Berücksichtigung der Anforderungen der Komponentenhersteller sowie der Schutz von Geschäftsgeheimnissen. Für uns als Verband ist es entscheidend, die Entwicklungen weiterhin zu begleiten, um sicherzustellen, dass der Data Act nicht nur Chancen eröffnet, sondern auch praktikabel und ausgewogen gestaltet wird.
Datenschutz, Datenhoheit und die praktische Umsetzbarkeit der Vorgaben sind nach wie vor kritische Punkte. Es ist von zentraler Bedeutung, dass die Regeln so ausgestaltet werden, dass sie die Nutzung von Daten ermöglichen, ohne dabei die Industrie durch unnötige bürokratische Hürden zu belasten. Datensparsamkeit darf hier nicht zum Leitmotiv werden. Vielmehr sollte der Fokus darauf liegen, wie Daten effizient, sicher und innovativ genutzt werden können.
Der European Data Act kann nur dann sein volles Potenzial entfalten, wenn er praxisnah gestaltet wird und die Balance zwischen regulatorischen Anforderungen und wirtschaftlichen Chancen hält. Hier wird der ZVEI weiterhin aktiv daran arbeiten, eine datenfreundliche und innovationsfördernde Umsetzung voranzutreiben. Für den Gebäudebereich sehen wir schon jetzt, dass die in SmartLivingNEXT entwickelte Technologie die Unternehmen dabei unterstützt, berechtige Anfragen nach Daten kostengünstig und sicher zu erfüllen.
Der ZVEI beteiligt sich mit der Forschungsvereinigung Elektrotechnik beim ZVEI e.V. als Konsortialleitung und Betreiber eines Projektbüros an dem vom Bundesministerium für Wirtschaft (BMWK) geförderten Technologieprogramm SmartLivingNEXT. Worin besteht die Motivation, sich an solchen Forschungs- und Innovationsvorhaben in so zentraler Rolle zu engagieren?
Der ZVEI gestaltet die Innovationskraft des Standorts Deutschland nicht ausschließlich über die Beteiligung am politischen Diskurs. Die Impulse, die aus der Politik kommen, wollen wir von Anfang an auch in der Praxis aufgreifen und zu trag- und zukunftsfähigen Konzepten entwickeln, die einen echten Mehrwert für Unternehmen bieten. Wir versprechen uns davon, dass sich so neue datenbasierte Geschäftsmodelle schneller im Markt etablieren.
Das Technologieprogramm SmartLivingNEXT federführend zu begleiten, ist für uns aus mehreren Gründen von großem Interesse. Erstens repräsentiert es die Zukunft des vernetzten Wohnens und bringt Technologien zusammen, die Wohngebäude komfortabler, sicherer und energieeffizienter machen. Diese technologischen Innovationen spielen eine Schlüsselrolle für eine zunehmend elektrifizierte und vernetzte Welt, die der ZVEI vorantreibt, um technologisch die dringend nötige Effizienzwende zu schaffen.
Zweitens bietet SmartLivingNEXT enormes Potenzial für deutsche Unternehmen – übrigens auch jene, die noch nicht Mitglied beim ZVEI sind – sich in einem stark wachsenden Markt zu positionieren. Durch die Integration von Smart-Home-Lösungen in Bereichen wie Energie, Sicherheit, Gesundheit und Mobilität entstehen Synergien, die nicht nur die Effizienz steigern, sondern auch zu nachhaltigerem Wohnen beitragen. Insgesamt sehen wir in SmartLivingNEXT die Chance, technologische und wirtschaftliche Innovationen voranzutreiben und zugleich einen Beitrag zur Digitalisierung des Alltags zu leisten – ein Bereich, der sowohl für die Branche als auch für die Gesellschaft immer wichtiger wird.
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