Quo vadis? SmartLivingNEXT auf dem ZVEI-Kolloquium Gebäudeautomation 2025
15. Dezember 2025
Lesedauer:
11 Minuten
Die Welt der Gebäudeautomation wandelt sich im Spannungsfeld von Digitalisierung, Nachhaltigkeit und neuen Technologien. Auf dem diesjährigen ZVEI-Kolloquium Gebäudeautomation präsentierte SmartLivingNEXT mehr als 200 Expertinnen und Experten aus Forschung, Industrie und Praxis seinen Technologieansatz für vernetzte, intelligente Wohngebäude.
Unter dem Leitmotiv “Quo vadis” war am 3. und 4. Dezember 2025 das ZVEI-Kolloquium Gebäudeautomation im House of Logistics and Mobility (HOLM) in Frankfurt am Main der zentrale Treff- und Angelpunkt für Industrie, Wohnungswirtschaft, Planung und Forschung. Eröffnet wurde die Veranstaltung von Nadine Petermann, Geschäftsführerin Fachverband Elektroinstallationssysteme beim ZVEI e. V., die vor interessiertem Fachpublikum die Künstliche Intelligenz (KI) und den digitalen Zwilling sowohl im Neubau als auch im Bestand hervorhob, welche zunehmend zu Schlüsseltechnologien für vernetzte, effiziente und adaptive Gebäude würden. Mit Handwerk, Planung, Systemintegration, IT, Industrie und Wissenschaft werde das Kolloquium zeigen, wie breit das Feld aufgestellt und wie wichtig es sei, diesen Wandel gemeinsam zu gestalten, um auch zukünftig in Deutschland und Europa wettbewerbsfähig zu bleiben.
Podiumsdiskussion Gebäudeautomation – Quo vadis?
Wie steht die Gebäudeautomation heute da und wohin entwickelt sie sich zwischen Energieeffizienz, Digitalisierung und Nachhaltigkeit? Diese Leitfrage prägte das Panel „Gebäudeautomation – Quo vadis?“ und führte zu einer lebhaften Diskussion über Herausforderungen, Prioritäten und Zukunftsmodelle, souverän moderiert von Dr. Arnaud Hoffmann, Strategic Business Development bei Hager. Gleich zu Beginn wurde deutlich, dass die Ausgangslage derzeit ambivalent ist: bewährte Technik auf der einen, begrenzte Skalierbarkeit auf der anderen Seite. Birgid Eberhardt, Bereichsleiterin Forschung & Entwicklung in der GSW Gesellschaft für Siedlungs- und Wohnungsbau Baden-Württemberg mbH und Konsortialpartnerin bei SmartLivingNEXT, brachte die Sicht der Wohnungswirtschaft prägnant auf den Punkt: „Technologie muss bezahlbar, robust und für unsere Mieterinnen und Mieter verständlich sein. Wenn Bedienung oder Wirtschaftlichkeit nicht passen, ist ein System für uns schlicht nicht praktikabel.“ Damit machte sie klar, dass technologische Innovation nur dann Erfolg hat, wenn sie im Alltag zuverlässig und transparent funktioniert.

Ein zentraler Schwerpunkt lag auf der Frage nach der Infrastruktur zukünftiger Datenflüsse. Michael Schidlack, Forschungsvereinigung Elektrotechnik beim ZVEI e. V. und Konsortialleiter im SmartLivingNEXT Leitprojekt, rückte dabei die strukturelle Ursache aktueller Probleme in den Mittelpunkt: „Wir müssen zunächst klären, was ein föderierter Datenraum ist. Er ist keine Plattform, die Daten zentralisiert, sondern ein System kontrollierter Durchlässigkeit. Daten bleiben dort, wo sie heute liegen.“ Der entscheidende Vorteil: Hersteller, Gebäude, Energieversorger oder Hausverwaltungen behalten die Hoheit über ihre Daten und können sie dennoch sicher, strukturiert und europaweit regelkonform teilen. Das heute noch verbreitete „Zusammenfädeln“ proprietärer Systeme bezeichnete Schidlack als nicht mehr zeitgemäß: „Davon müssen wir weg. Ein föderierter Datenraum ermöglicht Interoperabilität ohne Systemwechsel. Ein echtes KI-Upgrade für den Gebäudebestand.“
Die Diskussion zeigte, dass Offenheit kein optionales Feature mehr ist, sondern Voraussetzung für Zukunftsfähigkeit der Unternehmen und Organisationen in Europa. Eberhardt betonte erneut die wirtschaftliche Perspektive: „Wir brauchen Lösungen, die nicht nur technisch funktionieren, sondern langfristig tragfähig bleiben. Betrieb, Wartung und Akzeptanz sind entscheidende Kriterien. Um den Anforderungen aus der CO₂-Reduktion und Klima-Neutralität gerecht zu werden, brauchen wir als Wohnungswirtschaft Zugriff auf unterschiedliche Daten zahlreicher Quellen. SmartLivingNEXT bietet ein Ökosystem für den Zugriff und Austausch von Daten ohne Redundanzen als Basis für KI-Services: mit einem Katalog verfügbarer Daten und Services, Identity Access- und Vertrags-Management, Anonymisierung/Pseudonymisierung und einheitlichen Datenformaten.“
Die Frage nach dem Einfluss von KI führte zu einer klaren Erkenntnis: Ohne interoperable Daten bleibt KI Stückwerk. Schidlack ordnete die Entwicklung in einen größeren Kontext ein: „Der digitale Zwilling wird zur Grundstruktur. Skalierung gelingt nur, wenn Gebäude mit einer einheitlichen Vorgehenswese angebunden werden und genau das schafft ein föderierter Datenraum.“ Im Ausblick wurde es konkret. „Wir testen den föderierten Datenraum bereits jetzt unter Realbedingungen. Das System wird im Sommer 2026 marktreif sein. Entscheidend ist nun die Investitionsbereitschaft der Industrie, um den Basisbetrieb aufzubauen. Dabei geht es nicht um eine weitere Plattform, sondern um eine gemeinsame Infrastruktur, die Europa technologisch nach vorne bringt”, so Schidlack.
Einsatz von KI im technisch ausgerüsteten Wohnumfeld aus Sicht der Wohnungswirtschaft
Birgid Eberhardt stellte in ihrem Vortrag die Potenziale von Künstlicher Intelligenz (KI) für die Wohnungswirtschaft vor und verdeutlichte dabei die zentrale Rolle von Forschungsprojekten wie SmartLivingNEXT und SECAI. Für die GSW, ein Wohnungsunternehmen mit über 4.600 Einheiten in Baden-Württemberg, Sachsen-Anhalt und Berlin, steht der Nutzen für Mieterinnen und Mieter ebenso im Mittelpunkt wie die Optimierung der Gebäudeprozesse. Im Unterschied zu Einfamilienhäusern oder Gewerbeimmobilien müssen Lösungen für Mehrfamilienhäuser zentral gesteuert werden.Sie dürfen nicht von privaten Strom- oder Internetanschlüssen abhängig sein, müssen Mieterwechsel unterstützen und gleichzeitig mit der Betriebskostenverordnung vereinbar bleiben. Digitalisierung und KI müssen daher messbare Ergebnisse liefern, ohne die Kosten für die Mieterinnen und Mieter zu erhöhen. Ein praxisnahes Beispiel ist die KI-gestützte Optimierung von Heizungsanlagen. Daten aus allen Komponenten werden analysiert, Störungen frühzeitig erkannt, Optimierungsvorschläge erstellt und Anlagen bei Bedarf ferngesteuert angepasst – immer in Kombination mit Fachwissen der SHK-Handwerker.
SmartLivingNEXT stellt dafür die digitale Infrastruktur bereit: ein föderiertes Datenökosystem, das standardisierte, anonymisierte Daten zugänglich macht und KI-Services wie Heizungs- oder Energieoptimierung ermöglicht. Die GSW nutzt diese Plattform, um reale Daten aus Bestandsgebäuden für KI-Anwendungen zu testen, Nutzerverhalten einzubeziehen und Klimaziele zu unterstützen. Eberhardt abschließend: „Ein Mehrfamilienhaus hat mehr mit einem Kreuzfahrtschiff gemeinsam als mit einem Einfamilienhaus. KI wird zunehmend Teil von Smart Buildings. SmartLivingNEXT ermöglicht effiziente, nachvollziehbare und nachhaltige Lösungen zum Vorteil von Mieterinnen und Mietern, Handwerk und Umwelt.”
Das Ende der Dummheit
Lars Thomsen, Gründer und Chief Futurist der future matters AG und weltweit führender Zukunftsforscher, sorgte als letzter Redner für einen unvergesslichen Höhepunkt des Tages. Sein Vortrag hinterließ das Publikum beeindruckt und nachdenklich zugleich. Thomsen stellte klar: „Wir erwarten das Ende der Dummheit, weil Technologien endlich die Fähigkeit erwerben, Muster zu erkennen, sich selbst zu verbessern und Verantwortung im Sinne des Menschen zu übernehmen – ähnlich wie wir es von einem ‘smarten’, also kompetenten und emphatischen Menschen erwarten.“ Er zeichnete ein Bild der kommenden zehn Jahre – 520 Wochen, in denen sich die Welt der Gebäudeautomation radikal verändern wird. „2025 ist der Tipping-Point“, betonte Thomsen. „Wir stehen an einem sehr großen Wendepunkt gleich mehrerer Industrien: Erstmals können Energie, Mobilität, Gebäude und digitale Assistenzsysteme als ein gemeinsames, lernendes Umfeld auftreten, das alle Menschen entlastet, unterstützt und im Hintergrund mit- und vorausdenkt. Was bislang in separaten technischen Silos existierte, wächst zu einer organischen Infrastruktur zusammen, die intuitiv, zuverlässig und selbstoptimierend ist.”
Im Fokus stünden dabei die Megatrends, die unser Leben in den nächsten Jahren prägen werden. Nach der Durchdringung durch digitale KI-Systeme folge nun die physische KI: mit Robotern, smarten Geräten, Gebäuden und Infrastrukturen, die sich selbstständig vernetzen und lernen. Mustererkennung werde zur Schlüsseltechnologie, neue Geschäftsmodelle entstünden, der Mensch bleibe allerdings die zentrale Zielgruppe: „Gesellschaftsdienliche KI wird unseren Alltag besser machen. SmartLivingNEXT gibt hierauf eine klare Antwort. Das Forschungsprojekt entwickelt eine digitale Infrastruktur, die KI nicht als Selbstzweck versteht, sondern als Werkzeug für das Gemeinwohl. Das Ziel ist eine gesellschaftsdienliche und sichere KI, die Energie spart, Gesundheit unterstützt und Wohnen komfortabler und bezahlbarer macht. Souverän, sicher und europäisch.“

Thomsen machte deutlich, dass Datenräume als Grundlage dieser Entwicklung unverzichtbar sind. „Daten gehören uns als Gesellschaft“, erklärte er. „Sie sind wie ein Telefonbuch, das wir gemeinsam nutzen können, um Muster zu erkennen und daraus neue Geschäftsmodelle zu generieren.“ Ein zentraler Gedanke des Tages: Einzelne smarte Inseln entwickeln sich zu Ökosystemen. Jedes einzelne Gebäude wird Teil einer vernetzten, intelligenten Welt. „Die nächsten 520 Wochen werden die spannendsten unserer Branche“, so Thomsen. „Wir gestalten die Zukunft neu – das Ende der Dummheit ist nah, der Beginn der Smartness ist schon jetzt spürbar.“
Das ZVEI-Gebäudekolloquium 2025 zeigte eindrucksvoll, wie rasant sich die Welt der Gebäudeautomation derzeit verändert. KI, Digitalisierung und Nachhaltigkeit prägen die Branche bereits heute. Umso wichtiger sind vernetzte Ökosysteme und Forschungsprojekte wie SmartLivingNEXT für die Zukunft der Gebäudeautomation.
Redaktion:
Ilka
Klein
Kategorie:
Leitprojekt
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